Aus der NDP/Schlesien-Sammlung: Dienstpost und Portofreiheiten
(Anm. des Schriftführers: Ingo von Garnier hat diesen Übersichtsartikel für unsere Website zur Verfügung gestellt, in dem er anhand seiner Schlesien-Sammlung wichtige Aspekte der Dienstpost beschreibt. Für alle, die in dieses Gebiet tiefer einsteigen wollen, eine Fülle von Informationen, für die wir herzlich danken. Der Originalabdruck findet sich in Rundbrief 108 der ArGe NDP.)
Ingo von Garnier
Jahrhunderte lang konnte Dienstpost portofrei versandt werden. Im Postamtsblatt Nr. 3 vom 10. Januar 1868 heißt es: „Die Post-Anstalten erhalten in der Anlage eine Zusammen-stellung der bis auf Weiteres für das Norddeutsche Postgebiet in Portofreiheits-Angelegenheiten maßgebenden Grundsätze.“ Hieraus konnten die Beamten schließen, dass in absehbarer Zeit eine Änderung eintreten wird. Auch die Briefe von und an regierende Fürsten, deren Gemahlinnen und Witwen sowie die Hausministerien genossen weiterhin Portofreiheit.
CARLSRUH 2.145 Einwohner PE seit 1825 |
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Abb. 1: 11. Febr. 1869 Trauerbrief an I(hre) K(önigliche) H(oheit) Frau Landgräfin zu Hessen gb Herzogin von Württemberg in Philippsthal bei Vacha. In Carlsruh lag ein württembergisches (!) Residenz-Schloss.
SCHWEIDNITZ 16.998 Einwohner Postamt seit 1817 |
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Abb. 2: 17. Nov. 1868 Vorgedruckter Faltbrief an das örtliche Kreisgericht, abgesandt vom Schulze Rother. Dem Postbeamten Fromm fiel auf, dass der Gerichtsvorgang über einen Briefkasten eingegangen war und notierte links oben „Kastenbrief“ Unterschrift.
Nicht nur durch Auflösen von Gerichtsarchiven ist Briefmaterial aus Schlesien nach 1945 in den philatelistischen Kreislauf gekommen, auch archivierte Kirchenbestände wie von Superintendenten Wandel in Nimptsch fanden diesen Weg.
REICHENBACH 6.935 Einwohner Postamt seit 1817 |
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Rückseite
Abb. 3: 2. Aug. 1868 Faltbrief an Pfarrer Wandel mit dem Portofreiheitsvermerk Schullehr.Wittw. Waisen S. Die Ergänzung Frei l. Ordre vom 14/10 25 wurde erst in Nimptsch zugesetzt. Der misstrauische Postbeamte in Reichenbach schrieb groß die blaue Taxe „2“ (Groschen) mit dem Zusatz „bis zum Ausweis + Unterschrift“.
Rückseitig notierte Superintendent Wandel „Briefstellerin ist die Schullehrer Wittwe Neumann aus Reichenbach. Ihr Bittgesuch betrifft die Schullehrer Wittwen u. Waisen Pensions-Anstalt, die Portofreiheit genießt laut Ordre 14/X.25. Über den Rückempfang der 2 Sgr. quittiert Nimptsch 3/8 68 Wandel Königlicher Superintendent“.
KARZEN 610 Einwohner Postexpedition seit Okt. 1864 |
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Abb. 4: 19. Juni 1869 Die Geistlichen beider Religion genossen bis Ende 1869 Portofreiheit, sowohl für abgehende wie z. T. auch für ankommende Briefe. An den gleichen Empfänger ein Faltbrief aus Karzen. |
MÖRSCHELWITZ 374 Einwohner Postexpedition seit 1825 |
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Abb. 5: 6. Juli 1869 Ein dritter Brief aus der Wandel-Korrespondenz. Unter die Portofreiheit fiel bei Behörden auch die Einschreibgebühr. Das 6. Einschreiben im Juli 1869 in Mörschelwitz, das 113. in Nimptsch. Zählbeginn jeweils am Monatsanfang.
BRZEZINKA, 614 Einwohner, Postexpedition seit 1865 |
Abb. 6: 24. Okt. 1868 Nach Myslowitz zurückgesandtes Bestätigungsformular für die Zustellung eines gerichtlichen Schreibens. Die Bedeutung des Gerichtes in Myslowitz für Schlesien zeigt sich in der Vielzahl erhalten gebliebener postalischer Vorgänge - auch über das Kreisgebiet hinaus. Gelegentlich findet man Briefumschläge, bei denen die Berechtigung zur Portofreiheit vorgedruckt ist. |
WIRSCHKOWITZ 1.150 Einwohner PE seit 1863 |
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Abb. 7: 7. Mai 1869 Trotz des nicht sehr deutlichen Poststempels ein interessanter Beleg mit dem gedrucktem Vermerk für die Portofreiheit seit 1819. Im Internet findet sich aus der christlichen Zeitschrift „Der Menschenfreund“ (Jahrgang 1825) eine Passage: (…) über die dunklen Stellen der Bibel, zu ihnen blicken wir um die Vertheidigung unserer Religion; ihnen steht es zu, Irrthümer zuvorzukommen und sie zu unterdrücken; (…) unsterbliche Seelen sind ihren Händen anvertraut, die Ehre des Erlösers und die Angelegenheiten der Ewigkeit sind ihnen übertragen.
Stempelzeichnung von Werner Münzberg
Ab 1. Januar 1870 (bis Ende Dezember 1871) gab es für die staatlichen Behörden Dienstmarken. Die Marken mußten bei den Postanstalten gekauft werden. Sie wurden nicht getrennt abgerechnet, um z.B. die in der Provinz Schlesien verwendeten Dienstmarken zu erfassen. Von der sonst präzisen Statistik der Post profitieren Postgeschichtler heute noch.
BERNSTADT 3.861 Einwohner Postexpedition seit 1838 |
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Abb. 8: 22. Juli 1871 Vorgeschrieben war der Vermerk „Portopflichtige Dienstsache frei“ sowie ein Dienstsiegelabdruck, der zumeist rückseitig angebracht wurde. Bei Unterfrankierung fiel kein Zuschlagporto an. |
RATIBOR 15.323 Einwohner Postamt seit 1817 |
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Abb. 9: 8. Jan. 1870 Brief über 1 Lot, frankiert mit 2 Groschen. Frühe Verwendung einer Dienstmarke. |
Der 2-Groschen-Wert war der höchste der Groschen-Dienstmarken. Verständlicherweise sind Einzelfrankaturen nicht so häufig wie Briefe mit der 1-Groschen-Dienstmarke.
WOHLAU 2.859 Einwohner Postexpedition seit 1825 |
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Abb. 10: 26. Febr. 1870 Mit diesem Gerichtsbrief an Kaufmann Eckardt in Breslau wurde ein Bestätigungsformular für die Zustellung des Briefes verschickt. Vermerk Hierbei ein Post-Ins.-Doc. Portopflichtige Dienst Sache frei! Die blaue „1“ kann das Nachporto für die Rücksendung des Formulars nach Wohlau sein. (vergl. Abb. 6)
STRIEGAU 9.178 Einwohner Postexpedition seit 1825 |
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Abb. 11: 20. April 1871 Charakteristisch für die Dienstbriefe ist nicht nur der vorgeschriebene Vermerk Portopflichtige Dienstsache frei, sondern auch die zumeist notierten Aktennummern; hier und beim Wohlau-Brief oben rechts. Das Wort „frei“ bedeutete: ich Absender will den Brief vorausfrankieren.
Den Postbeamten war es nicht gestattet, Dienstmarken zu verwenden. Sollte ein Brief einer staatlichen Behörde mit Marken ergänzt werden, so hatten sie normale Freimarken zu nehmen.
CREUTZBURG 42.043 Einwohner Postexpedition seit 1825 |
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Abb. 12: 6. Mai 1871 Ein früher Brief der Reichspostzeit (seit 4. Mai 1871). Obwohl der aufgebende Beamte links unten Sofort per express zu bestellen frei notierte (gleiche Schrift), frankierte er nur eine 1-Gr.-Dienstmarke. Der Postbeamte ergänzte korrekt mit normalen Freimarken die 2½ Gr. Eilbotengebühr.
GRÜNBERG 51.385 Einwohner Postamt seit 1817 |
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Abb. 13: 31. Mai 1871 Der Botenlohn für einen normalen Brief in den eigenen Landbestellbezirk – hier von Grünberg über Kühnau nach Kremyse – betrug ½ Groschen. Empfänger war die dortige Polizeiverwaltung. Den Botenlohn erhielt der Bote, wie auch oben den 2½ Gr. Expressbotenlohn. Jener floss damals nicht in die allgemeine Postkasse. |
Eine besondere Art von „Dienstbriefen“ waren die von Behörden an den Absender zur Nachporto-Erstattung zurückgeschickten leeren Umschläge. § 39 des Reglements vom 11. Dez. 1867 gestattete den Staatsbehörden die Rücksendung an die Absendepostanstalt. Die Rücksendung war portofrei.
NIKOLAUSDORF 352 Einwohner |
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Abb. 14: 23. April 1871 Um 1 Gr. unterfrankierter Brief von mehr als 1 Lot an den Landrat von Lauban, eingeworfen bei der Station Nicolausdorf in den Zug BERLIN-GOERLITZ-GEBIRGSBAHN. (Entfernung 14 km) Die 2 Groschen wurden bezahlt (incl. 1 Gr. Zuschlag), der Briefinhalt entnommen und der Umschlag retourniert zur Rückforderung des Nachportos.
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Rückseitig vermerkt: Absender ist der Herr Pfarrer Carstädt in Schönbrunn, und das Königl. Postamt wird ersucht, den Portobetrag von 2 Sgr. von demselben einzuziehen. Vorderseitig: Couv.(ert) retour. Der Stempel „Auslagen" war eine Kennzeichnung für den inneren Postdienst als Hinweis für eine vorzunehmende Buchung. (vergl. Abb. 19) – Eine von bisher drei registrierten Portorückforderungen aus dem gesamten NDP-Gebiet.
Die Staatsbeamten waren nicht verpflichtet, Dienstmarken zu verwenden. Sie konnten auch normale Freimarken statt Dienstmarken bei der Post kaufen. Vielleicht haben einige von ihnen recht früh erkannt, daß man Ihnen mit den Dienstmarken Sand in die Augen gestreut hat, als man ihnen die Portofreiheit nahm. Die beiden Landbestellbriefe aus Haynau dokumentieren deutlich beide Möglichkeiten. Dass die Dienstmarken nicht notwendig waren, sehen wir daran, dass es bei der Reichspost 1872 keine solche Ausgabe mehr gab.
HAYNAU 4.976 Einwohner Postamt seit 1817 |
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Abb. 15: 6. Okt. (1870 oder 1871) Beide Briefe gingen an denselben Empfänger, an Pastor Linke in Samitz im Landbestellbezirk von Haynau.
Abb. 16: 27. April 1871 Hypothekenvorgang der Königlichen Kreisgerichts-Kommission in Haynau, frankiert mit einer farblich frisch erhaltenen ½ Groschen-Marke. Zumeist ist diese Freimarke ins Bräunliche gedunkelt.
Es gab einen Tarif von ⅓ Groschen für Ortsbriefe, wenn wenigstens 100 Stück eingeliefert wurden. Durch besonderen Erlass des Bundeskanzlers brauchte in Berlin und Breslau auch bei Einzelauflieferungen von Ortsbriefen der Stadtgerichte nur ⅓ Gr. frankiert zu werden. [Vfg vom 5. Juni 1869, Kommentar zum Gesetz betreffend die Portofreiheiten von G. F. Beutner, 1870].
BRESLAU 207.997 Einwohner Postamt seit 1817 |
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Abb. 17: 1. Okt. 1870 Mit ⅓ Gr. frankierter Dienstbrief vom Breslauer Stadtgericht An Die Handlung Nitschke & Co. Hier Ursulinenstraße 5/6. Eine Wechselvollstreckung. |
COSEL 4.517 Einwohner Postexpedition seit 1825 preußischer Einkreisstempel |
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Abb. 18: 16. Mai 1870 Auch Staatsbeamte waren nicht ganz fehlerfrei. Zwei Fehler zeigt der Brief. Statt oben rechts frankierte der Beamte die beiden Marken unten links. Und: Der halbe Groschen war zu viel. Er hätte als vorausfrankierte Landbestellgebühr Sinn gehabt, wenn im Zielort Bauerwitz keine Postanstalt gewesen wäre. Dort existierte jedoch schon seit 1825 eine Postexpedition. |
Die Dienstmarken sollten nur für Briefpost und nur im Norddeutschen Postgebiet verwendet werden. Expressbriefe und Postvorschussbriefe waren möglich. Nicht vorgesehen waren Dienstmarken-Frankierungen für Paketsendungen und für Auslandsbriefe.
OPPELN 4.517 Einwohner Postexpedition seit 1825 |
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Abb. 19: 19. Jan. 1870 Postvorschußbrief über 20 Sgr., auf dem der Beamte in alter Gewohnheit Portofr(eie) Justiz-Sache schrieb – bis Dezember 1869 war dies üblich – dann aber den Vermerk strich und durch Portopflichtige Dienstsache ersetzte.
SPROTTAU 6.209 Einwohner Postexpedition seit 1825 |
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Abb. 20: 14. Juni 1871 Ein mit Dienstmarken frankierter, geduldeter Paketbegleitbrief, bei dem auch auf dem Paket – wie seit dem 1. Quartal von der Post angeregt – die vollständige Adresse angegeben war; siehe Notiz links: sign. p. adr. Eigentlich sollte die Nr. 800 bis zum Empfangsort gelten. In Liegnitz lagerte man das Paket aber unter Nr. 1400.
Das Gesetz zur Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 trat am 4. Mai 1871 in Kraft. Gemäß § 48 wurden das Post- und das Telegraphenwesen als einheitliche Staatsverkehrs-Anstalt eingerichtet.
POPPELAU 2.300 Einwohner Postexpedition seit 1863 |
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Abb. 21: 4. Mai 1871 Vom ersten Tag der Reichspost ein Begleitbrief über eine Rolle und ein Paket an denselben Empfänger im 21 km entfernten Oppeln. Mit großer roter „II“ und zwei Paketaufklebern den Begleitbrief versehen. Die Dienstmarken wurden geduldet. Der absendende Staatsbeamte kannte den genauen Pakettarif. Nur er durfte Dienstmarken frankieren. Links unten erkennen wir, dass nach alter Gewohnheit die Paketstücke noch eine Signatur erhielten.
LEOBSCHÜTZ 10.687 Einwohner Postexpedition seit 1825 |
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österreichische rückseitige Stempel |
Abb. 22: 4. Nov. 1871 Ein Auslandsbrief, für den Dienstmarken nicht gedacht waren. Von Leobschütz ins 30 km entfernte Jägerndorf in Österreichisch-Schlesien. Postaustausch über den Grenzfluss Oppau von Branitz nach Lobenstein; von dort 10 km nach Nordwest.
Zum Schluss ein Gerichtsbrief, der wegen des Plattenfehlers auf der Dienstmarke eigentlich nicht in eine postgeschichtliche, sondern in eine Länder-Sammlung gehört.
HULTSCHIN 2.731 Einwohner Postamt seit 1817 |
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Abb. 23: 9. Sept. 1870 Schreiben des Gerichts in Hultschin in den eigenen Landbestell-bezirk nach Komnitz mit rückseitigem Vermerk Adressatin ist vor vielen Jahre Todt U-Schr. Der weiße Fleck auf der ½ Gr.-Marke ist ein deutlicher Plattenfehler.
Vorkommende schlesische Postorte:
OPD Breslau |
OPD Liegnitz |
OPD Oppeln |
Bernstadt |
Grünberg |
Bauerwitz |
Breslau |
Haynau |
Brzezinka |
Karzen |
Lauban |
Carlsruh |
Mörschelwitz |
Liegnitz |
Cosel |
Namslau |
Nicolausdorf |
Creutzburg |
Nimptsch |
Sprottau |
Hultschin |
Reichenbach |
Leobschütz |
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Schweidnitz |
Myslowitz |
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Striegau |
Oppeln |
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Wirschkowitz |
Poppelau |
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Wohlau |
Ratibor |
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Sprottau |
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Tarnowitz |
Die Ober-Post-Direktions-Bezirke waren deckungsgleich mit den Regierungsbezirken.
zur Abb. 12: Die Registratur zur Häufigkeit solcher Mischfrankaturen findet sich unter unseren Registraturen als Registratur Nr. 29. Von Schlesien sind vier Mischfrankaturen bekannt.
Außer dem Vorschussbrief von Abb. 19 sind alle Belege im Besitz des Autors.